Eine Weihnachtsgeschichte

Eine Weihnachtsgeschichte - DIE ICHSCHMIEDE

Inhaltsübersicht

Weihnachten.

Endlich ist es soweit. Alles ist perfekt.

Winterlandschaft - DIE ICHSCHMIEDEBereits vor vier Tagen hat es zu schneien angefangen und das in der Großstadt. Ein gutes Zeichen. Dieses Jahr hat sich der Winter also auch hier durchgesetzt.

Die warmen Häuser und vielen Autos, mit ihren Standheizungen und warmen Motoren, können dem eisigen Wind und den Schneeflocken nichts entgegensetzen. Und in diesem Jahr hat der Winter auch den letzten Klimakatastrophenanhänger zum Schweigen gebracht. Zumindest für diesen Winter.
Seit vier Tagen schneit es bereits. Die Stadt stöhnt unter den Schneemassen. Die Straßenreinigung kommt kaum hinterher und viele kommen zu spät zur Arbeit, weil der Verkehr teilweise zum erliegen kommt. Die Staßenbahnen bleiben oftmals stehen, weil sich vereinzelt Schneeverwehungen auf den Schienen auftürmen.

Gestern habe ich beobachtet, wie einer unserer Nachbarn sein Auto suchte. Die ganze Straße war weiß und dort, wo die Fahrzeuge standen, zeugten nur kleine Schneehügel von deren Anwesenheit. Zunächst dachte ich mir nichts dabei, als ich am Fenster vorbei ging und ihn unten auf der Straße stehen sah. Offenbar war er sich nicht sicher, welcher dieser Schneeberge nun seiner war.

Dann ging er auf einen zu, bohrte seine Hand in den Schnee und schob einen großen Batzen der weißen Masse beiseite. Die Farbe schien wohl zu stimmen, die nun zu Tage kam. Er machte sich also voller Tatendrang daran, sein Auto vom weißen Gold zu befreien.

Weißes Gold. Das gefällt mir, dachte ich so bei mir. So selten wie es in den letzten fünf Jahren geschneit hat, kann man hier durchaus von einem wertvollen Gut reden.

Die Euphorie des Nachbarn hielt nicht lange an. Zuerst wurde er langsamer. Die gewaltige Schneedüne forderte ihm wohl jede Kraftreserve ab, die er aufzubieten hatte. Doch dann schlug es wohl in Wut um, denn ich konnte ihn fluchen hören, was im dritten Stock, hinter einem geschlossenen Fenster und einer in Watte gelegten Umgebung einer durchaus beachtlichen Meisterleistung gleich kommt.

Er schrie und reckte sein Gesicht in die Höhe. Dann nahm er sich einen anderen Hügel vor. Der lag aber auf der anderen Straßenseite und diesmal schob er den Schnee nicht vom Dach des Autos, sondern stapfte an den Anfang des Berges. Genauer gesagt stapfte er zwischen zwei Berge und der Schnee lag so hoch, dass er sein Gleichgewicht verlor und rücklings in den Hügel vor seinem ausgewählten Hügel plumpste. Diesmal hörte ich ihn nicht fluchen. Ich sah nur wie seine Arme in den Schnee schlugen. Immer und immer wieder. Dann, als er sich beruhigt hatte, strich er am Fuß des Hügels den Schnee beiseite. Diesmal schien er zufrieden, rappelte sich auf und begann sein Auto frei zu legen. Das Nummernschild, dachte ich bei mir. Memo an mich selbst: Wenn du mal ein Auto hast und in so eine Situation kommst, denke an das Nummernschild! Es gab nichts mehr zu sehen, denn er hatte offensichtlich das richtige Auto gefunden, und so machte ich mit meinen eigenen Dingen weiter.

Christmastime - DIE ICHSCHMIEDEHeute ist es also soweit. Heute ist das Fest der Feste. Der Tag der Liebe. Der Tag der Wertschätzung. Der Tag der Familie. Die Räume sind geschmückt. Das Haus riecht nach Gebackenem. Kekse, Zimt, Orangen, Kaffee, heiße Schokolade. Die Düfte überschlagen sich und tanzen wie wild in den Räumen umher. Durch meine geschlossene Zimmertür höre ich leise Weihnachtsmusik, die Papa im Wohnzimmer dudeln lässt, und das Klappern der Töpfe und Löffel, das meine Mutter in eifrigen Handgriffen verursacht. Die Gerüche des Festmahls, das meine Mutter auch dieses Jahr wieder auf den Tisch zaubert, wabern unter meiner Tür hindurch.

Manches Mal kann ich Sie leise fluchen hören. »Man flucht nicht«, sagt sie immer. »Schon gar nicht zu Weihnachten. Weihnachten ist das Fest der Liebe.«

Ja, Mama. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Das Fest der Familie. Ich freue mich auf Oma und Opa. Oma zwickt mich zwar immer in die Wange und Opa schaut mich dann jedes Mal etwas wehleidig an. Als wolle er mir sagen: »Mach dir nichts draus Junge, sie liebt dich eben!« So ist sie halt, meine Oma.

Das schönste sind natürlich die Geschenke. Die liebevoll verpackten Päckchen und Pakete. Große und kleine. Ich liebe es sie auszupacken. Dabei bin ich immer sehr vorsichtig. Ich habe früh gemerkt, dass sie alle immer aufgeregter werden, wenn ich die Knoten der Geschenkbänder nicht einfach aufreiße oder aufschneide. Seit ich das weiß, lasse ich mir immer Zeit damit. Ich versuche die Knoten mit den Fingern aufzuknüppern und in den meisten Fällen gelingt mir das auch. »Willst du nicht lieber eine Scheere haben?«, fragen sie mich dann immer. »Du kannst das Papier auch einfach aufreißen, wenn du magst!«

Aber ich mag nicht. Ich mag es, wenn sie begeistert sind, dass ich diese festen Knoten so mit bloßen Fingern auf bekomme. Ich genieße es zu sehen, wie sie selber auf den Moment hin fiebern, wenn ich das Papier abstreife und meine Augen aufgerissen das Geschenk bewundern. Das ist dann mein Weihnachten; sie lächeln zu sehen, weil Sie sich darüber freuen, wie sehr sich meine Freude über das Spielzeug, in meinem Gesicht widerspiegelt.

»Gefällt es dir?«

»Ja, Oma. Danke Opa, danke Oma«, und dann falle ich den beiden um den Hals.

»Mutti, Mutti guck mal. Ich habe das Raumschiff bekommen, dass ich immer haben wollte. Und das ihr mir nie kaufen wolltet. Jetzt habe ich es. Geilomaaat!«

Und so geht es jedes Geschenk weiter. Eines nach dem anderen. Das ist Weihnachten. Das ist mein Weihnachten. Alles ist perfekt. Es schneit, die Welt ist weiß, die Wohnung ist geschmückt und es duftet kunterbunt durch die Gegend. Leise rieselt der Schnee…

Es klopft kurz an meiner Tür und meine Mutter schaut herein. »Bist du so weit Junge?« Der grelle Schein der Flurbeleuchtung hüllt sie in einen Schleier aus Licht.

»Ja. Ist alles vorbereitet?«

»Ich denke schon. Der Fernseher ist an, die Kamera ist aufgestellt. Jetzt bist du dran Sohn.« Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht.

Ich schaue noch kurz in den Spiegel meines Schrankes. Der Pullover sitzt, die Haare liegen richtig. Dieses Mal werde ich nicht gekniffen. Dieses Weihnachten nicht.

ChristmasRain - DIE ICHSCHMIEDEIch hoffe darauf, dass die Verbindung stabil ist und das Opa verstanden hat, was ich ihm in dem Brief geschrieben habe. Wird schon klappen, denke ich. Wird schon klappen. So schwer ist das ja nicht eine Webcam einzurichten.

Ich schaue aus dem Fenster. Der Schnee ist fort. Es regnet. Seit Tagen schon. Aber was soll’s?

Auch dieses Jahr werden wir ein perfektes Weihnachten feiern.

Das Fest der Liebe. 2021, das zweite Jahr der geteilten Weihnacht.

Gratulation!

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